Über diese Seite
Seit 2015 beschäftige ich mich mit der Aufarbeitung der Geschichte der Firma “Applaudando-Schallplattenfabrik GmbH, Halle a. d. Saale”. Hier finden sie einen Überblick über meine Recherche und ein ständig aktuallisiertes Tonträgerverzeichnis.
Diese Seite ist eine Erweiterung zu meiner Publikation und unterstützt diese mit Photographien, Grafiken, Audioaufnahmen und Videomaterial.
Haben sie Fragen, Anmerkungen zu dieser Internetseite, möchten sie mir weitere Bilder und Veröffentlichungen für das Tonträgerverzeichnis zuschicken oder haben sie Interesse an meiner Publikation über die Geschichte von “Applaudando”, können sie mich gern unter mail[at]alexrex.de erreichen.
Alex Rex, 2019
Neben der Aufarbeitung der Geschichte der Hallischen Schallplattenfabrik, beschäftige ich mich in meinen künstlerischen und gestalterischen Arbeiten mit dem Thema der Tonaufzeichnung und Klangerzeugnung. Zur Zeit lebe ich in Halle (Saale) als Designer. Einen Einblick in meine Projekte finden sie auf meiner Internetseite www.alexrex.de .
Die Geschichte der Applaudando Schallplattenfabrik GmbH
Applaudando war eine Schallplattenfabrik aus Halle (Saale). Gegründet wurde die Firma 1911 von Hermann Thiel und Harry Buschmann als “Schallplattenfabrik GmbH”. Thiel brachte bereits als ehemaliger teilhabender Firmenleiter von ISI-Record aus Leipzig das nötige Wissen zur Führung einer Schallplattenfabrik mit. Die Firma wurde im Sommer 1911 in den Gebäuden der Halberstädter Str. 12, unweit vom Hauptbahnhof und Stadtpark am Rande eines Wohngebietes, gegründet. Hier wurden von August 1911 bis zum Kriegsausbruch im Juli 1914 Schellackplatten produziert. Im August 1912 wurde die Firma nach einer ihrer Plattenserie “APPLAUDANDO RECORD” umbenannt. Obwohl die Firma in Halle (Saale) nur für drei Jahre existierte, zeichnet sich in ihrer Geschichte ein interessanter wechselhafter wirtschaftlicher Verlauf ab, welcher stellvertretend für viele Unternehmen der Vorkriegszeit stehen kann. Desweiteren wurden Tochterunternehmen in Dänemark und Schweden gegründet, in zahlreichen mitteleuropäischen Ländern Filialen eröffnet, sowie internationale Patente und Schutzmarken in Italien und England angemeldet.
Ab 1913 fokusierte sich die Firma verstärkt auf das Exportgeschäft und versuchte dadurch unabhängig von den damaligen komplizierten Branchenverhältnissen der Schallplattenindustrie in Deutschland zu machen. Mit dem Antritt von Gustav Kaufmann als neuer Geschäftsführer von APPLAUDANDO 1914 begann eine besonders ambitionierte Zeit für die Firma. Neben der Plattenproduktion wurden eigene Grammophone und Aufnahmeapparate für den heimischen Gebrauch geplant und auf Messen beworben. Durch Kriegsbeginn im Juli 1914 musste die Firma in Halle (Saale) aufgegeben werden – während die Tochterunternehmen im skandinavischen Raum weiterhin für einige Zeit Platten produzierten.
Zeitleiste der Ereignisse
- 1886 Errichtung des ersten Gebäudes auf dem Grundstück als Schlossereibetrieb
- 1906 Errichtung eines fünfstöckigen Gebäudes auf dem Grundstück als Bürogebäude
- Sommer 1911 Einzug der Schallplattenindustrie GmbH
- 7. September 1911 Gesellschaftsvertrag geschlossen zwischen Hermann Thiel und Direktor Harry Buschmann zur Gründung einer Schallplattenfirma unter dem Namen “Schallplattenindustrie Gesellschaft m. b. H.”
- Februar 1912 Applaudando-Plattenserie angekündigt,
Bericht in der Phonografischen Zeitschrift: Die Firma hat bereits 12 Pressmaschinen, eine Galvanische Abteilung, Matrizendreherei, sowie einen eigenen Probesaal und Aufnahmeraum - August 1912 Umbennenung in “Applaudando-Schallplattenfabrik GmbH”
- Ende 1912 sehr gute wirtschaftliche Bilanz/ viele Künstler unter Vertrag
- Beginn 1913 Ausbau des Exportgeschäftes,
Steigender Schellackpreis,
Beitritt in den „Schutzverband der Sprechmaschinen- Industrie e.V. Berlin“ (Boykott gegen Monopolbildung der deutschen Sprechmaschinenindustrie) - 29. August 1913 Abschluss einer Genehmigung Schallplatten auf dem italienischen Markt zu verkaufen
- September 1913 eigene Sprechapparate werden von Applaudando angeboten,
“Palais-de-Danse” Plattenserie angekündigt - November 1913 Gründung des Tochterunternehmens in Kopenhagen (Dänemark) „Skandinavisk Applaudando A/S“
- Januar 1914 Hermann Thiel tritt aus dem Gesellschaftsvertrag aus, der neue Geschäftsführer wird der Hallische Kaufmann Gustav Tobias,
Sehr starke Auslandswerbung,
Billige Neutralplatte (95 Pf.) wird angeboten - März 1914 Selbstaufnahmeapparat angekündigt,
Entwicklung eines Koffergramophons mit Paul Stecklmann (Berlin) wird verkündet - April 1914 Kein Beitritt in die “Konvention deutscher Schallplattenfabrikanten”
- 9. April 1914 Patent für ein kompaktes und transportables Grammophon wird in England eingereicht und am 8. Juli 1915 akzeptiert
- Juni 1914 Gründung des schwedischen Tochterunternehmens
- 28. Juli 1914 Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit enormen Limitierungen in Produktion und Export für die Phonobranche
- 1915 Applaudando ist nicht mehr im Adressbuch von Halle (Saale) gelistet
- 11. November 1918 Ende des Ersten Weltkrieges
- 1924 Die ISI-Werken Leipzig erwerben die restlichen Matrizen der APPLAUDANDO und lassen sich den Namen “Applaudando Record” als Schutzmarke eintragen
Die Gebäude von Applaudando
Erhalten sind heute nur noch die Gebäude in Halle (Saale). In der Halberstädterstr. 12 stehen noch das längliche Gebäude (einst der Pressensaal), das Bürogebäude (einst Büro, Probensaal und Aufnahmeraum), sowie kleinere Anbauten und Kelleranlagen. Seit mehr als hundert Jahren hat das Grundstück viele Besitzerwechsel erlebt. Heute ist auf dem ehemaligen Gelände von Applaudando eine Druckerei.
In Hamburg und Kopenhagen stehen die originalen Häuser nicht mehr, bzw. sind sie enorm verändert worden. In Hamburg hatte Applaudando eine Vertretung und Lager am Hühnerposten 14. In Kopenhagen gab es eine Vertretung, ein Lager und später auch ein Aufnahmesaal.
Etiketten
Die Gestaltung der Etiketten variierte während der Firmengeschichte einige Male. So wurden für Exportplatten andere Etiketten verwendet, als für den inländischen (deutschen) Markt. Für Spezialserien wurden Entwurfe angepasst oder sogar neu gestaltet, wie z.B. für die “Palais de Danse” – Veröffentlichungen.
Die Farbigkeit der Etiketten ist nicht immer einheitlich, daher sind sie hier stilisiert in schwarz/weiß dargestellt.
Sammelmarken
Um einige Plattenserien zu Bewerben wurden von Applaudando Sammelmarken auf den Markt gebracht.
Bekannt sind bisher diese sechs Marken der Operettenserie in Schwedischer und (mit gleichem Motiv) in deutscher Sprache, sowie eine Sammelmarke zur Bewerbung der bayerischen Aufnahmen von Applaudando.
Klassifizierung der Serien
Die Vergabe der Katalognummern wurde bei APPLAUDANDO nach Genre und Region eingeteilt und mit unterschiedlich gestalteten Etiketten gepresst. Es gab eine Katalognummer und dazugehörig eine Matrizennummer, welche auch mit anderen Etiketten oder anderen Kombinationen von Paaren der A-Seite und B-Seite gepresst werden konnte. Hauptsächlich wurden 10″ (25,5 cm) Schellackplatten gepresst. Von einigen Spezial-Serien gab es jedoch auch 12″ (30 cm) Platten.
Die unten stehende Tabelle soll eine Übersicht über alle derzeit bekannten Serien und eine Möglichkeit ihrer Einteilung geben.
Die Tabelle ist nicht für Displays von mobilen Geräten ausgelegt.
Land / Region | Katalognummer | Genre | Etikett | Ø cm |
---|---|---|---|---|
Skandinavien | 1000s- | Marsch (instrumental) | Tempel und Sternenhimmel in blau, gold, gelb, "APPLAUDANDO RECORD" über oder neben dem Tempel | 25,5 |
1100s- | Tanzmusik (instrumental) | 25,5 | ||
1200s- | Orchester (instrumental | 25,5 | ||
1300s- | Pfeifkunst (instrumental) | 25,5 | ||
1400s- | Dänischer Gesang | 25,5 | ||
1500s- | internationale Opernkünstler für den dänischen Markt | 25,5 | ||
1600s- | Schwedischer Gesang | 25,5 | ||
1700s- | Instrumental Dänischer Markt | 25,5 | ||
1800s- | Dänischer Gesang | 25,5 | ||
31000s- | Orchester für den Dänischen Markt | 25,5 / 30 | ||
Deutschland | 4000- | Instrumental | Tempel und Sternenhimmel in blau, gold, gelb, "APPLAUDANDO RECORD" über oder neben dem Tempel | 25,5 |
7000- | Orchester | 25,5 | ||
12000-, 13000-, 14000- | Orchester | 25,5 | ||
15000- | Instrumental, Geigensoli | 25,5 | ||
17000- | Herrengesang, Gesangsquartett | 25,5 | ||
18000- | Duett | 25,5 | ||
19000- | Gesang / Humoristisch | 25,5 | ||
28000- | Orchester | 25,5 | ||
30000- | Orchester | 30 | ||
32000- | Orchester | 30 | ||
33000- | Orchester mit Niederländischem Gesang | 30 | ||
Export | 12000-, 13000- | Orchester | "Applaudando-Record" in schwarz/gold | 25,5 |
Deutschland | 4000- | Gesang | "Applaudando-Record" in schwarz/gold | 25,5 |
Deutschland | 51500- | Antonio Bari und Orchester | "Applaudando-Spezial-Record" / buntes Etikett | 25,5 |
Deutschland | 4000- | Palais de Danse Orchester | "Palais de Danse Spezial Record" buntes Etikett | ? |
Export | 4000- | Palais de Danse Orchester | "Palais de Danse Spezial Record" in schwarz/gold | ? |
Plattenschrank
Diese drei Schellackplatten der Applaudando Schallplattenfabrik wurden von einem Trichter-Grammophon mit Federwerk abgespielt und mit einem Stereo-Handrekorder aufgenommen. Dabei geben die Aufnahmen eine wunderbare Möglichkeit, sich in die Zeit von Applaudando zw. 1911 und 1914 zu versetzten.
Mit Hilfe eines Schallplattenspielers, der auf 78 rpm lief, wurden diese vier Applaudando Schallplatten digitalisiert. Leider haben die Aufnahmen ein starkes Grundrauschen (Schleifgeräusch der Nadel), welches sich digital leider nicht reduzieren lässt. Dennoch können die Aufnahmen einen interessanten klanglichen Einblick geben.
Besonders die beiden Gesangsaufnahmen des Stettiner Sänger Quartett zeigen das Geschick der Tonmeister von Applaudando, welche den Gesang und die Instrumente gekonnt vor dem Aufnahmetrichter im Aufnahmesaal platzieren konnten.
Apparate von Applaudando
Applaudando hat spätestens 1914 beschlossen, selber Aufnahme- und Wiedergabeapparate auf den Markt zu bringen. In welchem Umfang eine Produktion noch angelaufen ist, ist nicht bekannt. Bis dato existieren leider keine Bilder oder sogar Exponate von solchen Apparaten. Einzig allein eine technische Zeichnung aus einem Antrag auf ein englisches Patent ist bis heute überliefert. Dieses Patent vom 9. April 1914 wurde erst zu Kriegszeiten, am 8. Juli 1915 genehmigt und wird keine Bedeutung mehr für die Hallische Firma gehabt haben. Im Patent wird unter anderem ein Trichter erklärt, der beim Transport des Apparates den Antrieb abdeckt und schützt. Den Scan des dreiseitigen Patents aus der Birmingham Library können sie hier einsehen:
Hüllen von Applaudando-Schallplatten
Zur Zeit sind zwei verschiedene Hüllen von Applaudando bekannt. Eine scheint für den Deutschen und die andere Hülle für den internationalen Markt produziert worden zu sein. Den Aufdruck beider Hüllen habe ich vektorisiert, um Replikate für das Stadtmuseum Halle (Saale) herzustellen.
Tonträgerverzeichnis
Durch die Schaltfläche, gelangen sie zu einer detailierten Übersicht über alle derzeit bekannten APPLAUDANDO-Veröffentlichungen. Ein originaler Katalog ist leider nicht mehr überliefert, jedoch eine Werbeanzeige mit Katalogauszügen vom November 1912 [Phonografische Zeitschrift, 13. Jahrg. No. 45, Seite 1031].
Wenn möglich werden Bilder des Etiketts gezeigt. Die Tabelle wird mehrmals im Jahr aktualisiert.
Eine umfangreiche und nahezu komplette Diskografie der skandinavischen Pressungen (Katalognummern: 1000s- bis 1800s-) findet sich in der Veröffentlichung von René Aagaard (2010) auf zwei PDF’s.
Die Tabelle ist nicht für Displays von mobilen Geräten ausgelegt.
Vergrößern der Bilder mit Rechtsklick!
Letzter Aktualisierung:
06. Januar 2023
Anzahl der Einträge:
260
Publikationen über Applaudando
Die Applaudando Schallplattenfabrik GmbH Halle a. d. Saale
Eine umfangreiche Aufarbeitung der Geschichte der Applaudando Schallplattenfabrik GmbH Halle a. d. Saale erschien als eigenverlegtes Heft, welches bei mir auf Anfrage per E-Mail mail[at]alexrex.de erhältlich ist.
Jahrbuch für Hallische Stadtgeschichte 2017
Eine leicht gekürzte Fassung befindet sich im “Jahrbuch für Hallische Stadtgeschichte 2017” (Verlag Janos Stekovics).
Radio- und Fernsehsendungen
Der MDR hat im Winter 2017/2018 einen Fernsehbeitrag produziert, welcher die Geschichte der Applaudando Schallplattenfabrik erzählt. Dabei wurde in dem Antikladen “Antiquitäten-Schreiber” am Steintor in Halle (Saale) und vor den ehemaligen Fabrikgebäuden von Applaudando gedreht. Desweiteren wird mein experimenteller Schallplattenschneidapparat gezeigt.
Als Teil einer Sonntäglichen Serie veröffentlichte MDR Sachsen-Anhalt einen Radiobeitrag, in dem die Geschichte von Applaudando auf Grundlage meiner Recherchen vertont wurde. Den kompletten Beitrag gibt es hier zum nachhören.